nero – anwälte gegen häusliche gewalt

Anwälte gegen häusliche Gewalt – Nero hilft schnell, kostenlos und unbürokratisch

Leben wagen

„Meine Ehe ist seit zwei Jahren die Hölle“, schreibt Paula S. auf hilferuf.de. „Mein Mann trinkt immer öfter, schreit mich täglich an, beleidigt mich, zwingt mich, eine andere Arbeitsstelle anzunehmen und wird einmal die Woche handgreiflich. Ist das normal? Ich traue mich gar nicht, mit jemandem darüber zu reden, der uns beide kennt – mir würde doch niemand glauben.“ So wie Paula geht es vielen Frauen: Rund 45 000 Frauen flüchten in Deutschland jährlich ins Frauenhaus. „Nach Schätzungen erlebt etwa jede dritte Frau regelmäßig häusliche Gewalt“, weiß Bettina Groezinger, Rechtsanwältin aus Stuttgart, die sich auf Strafverteidigung, Opferschutz und Familienvertretung spezialisiert hat.

„Menschen in Konflikt-Situationen zu helfen ist untrennbar mit meinem Beruf verbunden“, sagt die zierliche blonde 32-Jährige. Und weil ihre gerade diese Menschen besonders am Herzen liegen, gründete sie im April vergangenen Jahres gemeinsam mit zwölf Kollegen aus der Region das Netzwerk engagierter Rechtsanwälte für Opferschutz, „Nero“ – eine kostenlose Rechtsinformationsstelle für Gewaltopfer – in der Hauptsache Frauen, Kinder und Jugendliche.

Das Spektrum der häuslichen Gewalt ist vielseitig und reicht von Beschimpfungen und verbaler Erniedrigung über Stalking, Einsperren oder Schlafentzug bis zu Körperverletzung, Todesdrohungen, Vergewaltigung oder ökonomischem Druck. Aus Scham, Angst vor Ächtung sowie gefühlter oder tatsächlicher Abhängigkeit werden offensichtliche Folgen als Haushaltsunfälle bezeichnet und das Thema totgeschwiegen.

„Lösungen sind deshalb so schwierig, weil die Gewalt hinter verschlossenen Türen in den eigenen vier Wänden stattfindet. Auch Nachbarn und Freunde die eventuell etwas mitbekommen, schauen meistens weg, aus Angst, sich falsch zu verhalten, schließlich stecken sie in der Situation letztendlich nicht drin“, so Bettina Groezinger. Bislang soll es gerade eine von 20 Frauen sein, die das Schweigen bricht, doch die Zahl steigt: Immer mehr Frauen entschließen sich, professionelle Hilfe bei entsprechenden Beratungsstellen zu suchen oder ihren Partner anzuzeigen, wenn sie mies behandelt werden.

Auch Nero verzeichnet eine steigende Nachfrage. „Unsere Aufgabe bei Nero ist es, schnell und unbürokratische Hilfe anzubieten, den Betroffenen Informationen zu geben – wo kann ich mich hinwenden, welche Möglichkeiten habe ich “, erklärt Bettina Groezinger das niederschwellige und auf Wunsch auch anonyme Angebot. „Als Clearingstelle, Krisen- und Notfalldienst finden wir zuerst heraus, ob ein Anwalt gebraucht wird und wie akut Hilfe nötig ist, dann leiten wir an Beratungsstellen, Therapeuten oder Betreuer weiter. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – zum Beispiel der mobilen Jugendarbeit oder dem Stopp-Verband – profitieren wir von einem professionellen Netzwerk, vielen Erfahrungen und können uns regelmäßig fortbilden.“

Für betroffene Kinder und Jugendliche gibt es Nero Kidz. „Hier kümmern wir uns um Teens, die beispielsweise Probleme mit ihrem Handyvertrag haben, mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind oder Schlägereien in der Schule erleben.“ In allen Fällen erhält die außergerichtliche Lösung den Vorzug. Mediation heißt das Stichwort und die Methode, auf die auch bei Nero immer häufiger gesetzt wird, um mit allen Beteiligten trag- und zukunftsfähige Kompromisse zu erarbeiten.

„Zwar kann man zum Beispiel Körperverletzung zur Anzeige bringen, Ehen mit sofortiger Wirkung scheiden oder den Mann mit Näherungsverboten erst einmal fern halten, aber wer glaubt, dass Verhaltensänderungen von heute auf morgen möglich sind, der täuscht sich gründlich“, weiß Bettina Groezinger. Dafür brauche es oft jahrelange, intensive psychologische Betreuung, schließlich bestünde die Problematik ja in den meisten Fällen nicht erst seit gestern sondern sei Folge eines langen Prozesses mit eingefahrenen Verhaltensmustern. „So können aggressive Männer bei der Männerinterventionsstelle in einer Tätertherapie lernen, ihr Verhalten zu erkennen und zu ändern“, sagt Bettina Groezinger.

Die Thematik ziehe sich übrigens quer durch alle Gesellschafts-Schichten, mit dem einzigen Unterschied, dass gut situierte Frauen leichter aus ihrer Ehehölle ausbrechen können. Gründe für die Gewalttätigkeiten seien vor allem mangelnde Kommunikationsfähigkeit und steigende Alltags-Anforderungen, für die es kein Ventil gebe. Sport helfe da sehr bedingt bis gar nicht, auch wenn Bettina Groezinger für den eigenen Ausgleich gerne klettert oder sich als Skilehrerin engagiert. Nero, 0711/210 03 02, Nero Kidz, Beratung jeden 2.+4. Mittwoch, 18-19 Uhr, Uhlandstr. 16/ Ecke Gaisburgstraße, 70182 Stuttgart, Tina Neubauer, 0711/212-35 37

Hinterlasse einen Kommentar