in rilkes blumengarten

Wie habe ich sie genossen, die warmen Tage im Februar und insgeheim gehofft, dass die Frühblüher in kürzester Zeit ihre Kelche und Körbchen öffnen. Dann, ganz plötzlich, wehte der Wind Schneeflocken und Graupel durch den Garten und die zarten Kleinen die schon auf Sonne hofften, haben ihre Blüten wieder geschlossen.

Weils heute wieder gar so grau ist, habe ich einen Rundgang „In Rilkes Blumengarten gemacht“. In 21 ausgesuchten Gedichten schwelgt Rilke so mysthisch wie ausdrucksstark in üppiger Natur, schwärmt poetisch staunend von flüsterndem Heliotrop und verwaschenem Blau der Hortensien, von leidenschaftlichen Feuerlilien, lustvollen Rosen, von schimmernden Schwänen und zankenden Spatzen im Flieder.

Wunderschöne Gartenfotos begleiten den Spaziergang durch geheimnisvolle Sehnsuchts-Gärten, fremde Parklandschaften, stille Wälder, sternetriefende Mainächte, über Sommerwiesen – und verschlungene innere Wege. Wer sich wie ich an einem grauen Tag ein bisschen nach Farbe sehnt und von Sommerduft träumen will, ist mit diesem Gedichtband genau so beschenkt wie Naturliebhaber, die auf Rilkes Spuren in die Tiefe der Schöpfung spüren wollen.

„Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wie viel Pracht sich in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt offenbart.“ Rilke offenbart sich nicht nur als exzellenter Beobachter – immer beim „lernen über dem Unendlichen“ – sondern scheint förmlich mit der Natur zu verschmelzen, verharrt mal hier mal da in stiller Erwartung, ob der wie verwunschen daliegende Weiher seine Sagen an die Oberfläche spült oder die Rose preis gibt, wie sie stets aufs neue blühen kann.

Rilkes Gärten werden zu Räumen des Transzendenten, etwa im Gedicht „Lehnen im Abendgarten beide..: Etwas ist in den Garten getreten, und das Gitter hat nicht geknarrt, und die Rosen in allen Beeten, beben vor seiner Gegenwart.“ Hier zwischen steinernen Statuen und lichten Gestalten genießt er seine „heilige Einsamkeit“, das wunschlose Glück. Unter leisem weißem Blütenregen wandelt er Gott entgegen.

Obwohl Rilke lyrisch uneindeutig, „an der Grenze des Sagbaren“ bleibt, äußert er sich als zutiefst spiritueller Mensch mit eigenen Erkenntnissen sowie teilweise heftiger Kritik an religiösen Dogmen und Vorstellungen seiner Zeit. Für ihn ist die Antwort auf die Frage des Woher und Wohin so klar wie einfach: „Das musst du wissen, dass dich Gott durchweht von Anbeginn. Das Göttliche. Ich bin dort gewesen, schon als Kind, und komme gehend davon her.“

Rilkes Gedichte erzählen davon, dass er dieses Gefühl der Verbundenheit, des Alleinen, in der Natur (wieder)gefunden hat, vor allem nach seinen Jahren in Paris – alles ist beseelt, bedeutungs- und geheimnisvoll: der „arglos rasche Bach“, der in übergroßer, zerstreuter Eile an der Blume wühlt oder der „waldeigene“ Frühling, der nicht in die Stadt kommt und sich nur Liebenden zeigt, die Hand in Hand aus den kalten Gassen gehn. Der blühende Lindenzweig wird zur Metapher für tiefe Zuneigung, der still in die Liebste „wächst“.

Überhaupt scheint es bei Rilke, als ob sich auch die Liebe nur wahrhaft in freier Natur entfalten kann, wo sie von hundert Düften und segnenden Zweigen genährt wird, wo alles schweben will. Hier behält sie ihre kindliche Unschuld, wenn er und sie allein im Garten sind, wo Blumen wie Kinder stehen. „Und wir lächeln und lauschen und warten, und wir fragen nicht, auf wen…“

Gerade das scheinbar vordergründige Naturempfinden, verbunden mit einer oft so leichtfüßigen wie tiefgründigen Weisheit macht Rilke für mich immer wieder spannend und inspirierend. „Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest. Und lass dir jeden Tag geschehen so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt.“

Thorbeckes Kleine Schätze „In Rilkes Blumengarten. Gedichte“, 64 Seiten, Hardcover mit Halbleinen, 9 Euro 90, Thorbecke Verlag

5 Kommentare

  1. Liebe Nicole, Du hast mich gerade verzaubert mit Deiner wunderbaren Beschreibung vom großen Rilke! Ich danke Dir vielmals für diese Lektüreempfehlung und schicke Dir ganz liebe Grüße!

    Herzlichst Constanze

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