von froschabschleckern und superlativen

Ich weiß ja nicht, wie’s meinen Lesern geht, aber mich schrecken Statistiken und Zahlenkolonnen per se eher ab. Deshalb dacht ich bei Sabine Ries‘ und Björn Lockes neuem Buch: die trauen sich was! „Baden-Württemberg Check. Zahlen, Daten, Fakten. Ganz schön aufgebrezelt“ heißt das quadratische, schick designte Buch – sehr neugierig blätterte ich rein und blieb gleich auf Seite 2 hängen: hier haben die Autoren nämlich alle Zahlen, Daten und Fakten zum Buch selbst aufgelistet, zum Beispiel wann Ihnen die Idee zum Buch geschenkt wurde, wieviel Material für die 112 Seiten verbraucht wurde, für wie viele schlaflose Nächte (10) das Machwerk sorgte, wie viele Brezeln (rund 200) und wie viele Tassen Kaffee (2500) während der Produktion verschwanden. Fand ich witzig!

bawücehck Auch die „Bedienungsanleitung“ machte Mut, ich wusste jetzt nämlich was mich erwartet: gewissenhaft recherchierte Zahlen, thematisch sortiert, frech kombiniert und grafisch gestaltet. Tatsächlich trägt die pfiffige Grafik maßgeblich dazu bei, dass auch Nicht-Statistiker das Buch gerne bis zum Ende durchblättern.

Ganz nebenbei kann unser kleines Ländle im internationalen und deutschlandweiten Vergleich mit wirklich großen Zahlen punkten: immerhin hat das Ulmer Münster den größten Kirchturm der Welt, hier werden die meisten Patente des Landes angemeldet, wir leben am längsten und nirgendwo gibt es weniger Sitzenbleiber als in Baden-Württemberg.

Vor allem der Schwarzwald strotzt vor Superlativen und bekommt deshalb eine eigene Rubrik: der älteste Skilift der Welt nimmt winters in Schollach seinen Betrieb auf, der älteste Skiclub Deutschlands tagt in Todtnau, in Pfalzgrafenweiler stehen Deutschlands größte und älteste Tannen. Es gibt die weltgrößte Kuckucksuhr, die einzige deutsche Uhrenstraße, das einzige Tagebucharchiv und den größten Marktplatz Deutschlands. Hier strahlen die meisten Michelin-Sterne des Landes, hier dreht sich die älteste Gipsmühle und hier weidet die kleinste Rinderrasse Zentraleuropas, das Hinterwälder Rind.

Neben Standard-Angaben, wie viele Grenzen unser Ländle hat (5: BaWü grenzt an Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Frankreich und die Schweiz), ob die Mehrzahl der Bewohner in einer Stadt oder auf dem Land wohnen oder dass die kleinsten Gemeinden im Landkreis Tuttlingen liegen, haben Sabine Ries und Björn Locke auch vergnügliche Skurrilitäten ausgegraben. Auch, dass hier die ersten Autos gebaut wurden, ist ein alter Hut, aber wusstet Ihr, dass die Baden-Württemberger am liebsten in Kiefern- und Fichtensärgen beerdigt werden?

Oder dass 68 Lokalkrimiautoren ihre erschreckenden Geschichten zwischen Mannheim und Konstanz spielen lassen und dass ein Fußmarsch vom Stuttgarter Hauptbahnhof bis Waldshut-Tingen 35 Stunden dauert und ganze 14 315 Kilokalorien verbraucht? Ebenfalls überraschend ist die Tatsache, dass in Baden-Baden Europas größte Ballonflotte stationiert ist und in Ingelfingen das zweitgrößte Weinfass des Kontinents steht. Drinnen ist passenderweise ein Weinbaumuseum untergebracht.

In der Kategorie „Vesper“ ist erklärt, was die schwäbische Brezel von der bayrischen unterscheidet (der Einschnitt am Bauch, die dünnen Ärmchen und mehr Fett im Teig) und im Kapitel „Strecken“ erfahren wir, dass in einem Bollenhut vier Kilometer Wolle stecken.

So macht Statistik richtig Spaß und ich blättere künftig noch öfter im Buch, mich interessiert nämlich jetzt schon, welche Berufe in Baden-Württemberg angesagt sind, was die Polizei so treibt, welche Stars und Sternchen aus Schwaben stammen und wie die Wilhelma zahlenmäßig dasteht. Außerdem will ich googeln, warum die Ammerbucher Froschabschlecker, die Baltmannsweiler Böbbeleskotzer, die Neckargmünder Orgeldiebe und die Lenninger Kuhdreckbatscher genannt werden.

Sabine Ries, Björn Locke „Baden-Württemberg Check. Zahlen, Daten, Fakten. Ganz schön aufgebrezelt“, 112 Seiten, gebunden, 19 Euro 90, Silberburg Verlag

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